Für die Geburt unserer Zwillinge wurde der 22. August errechnet. Da die Schwangerschaft unseres Sohnes völlig problemlos verlaufen war, ging ich von einer ähnlichen Entwicklung aus. Auch als Anfang April festgestellt wurde, dass der Gebärmutterhals verkürzt war, regte mich das nicht sonderlich auf und ich versuchte, alles etwas ruhiger anzugehen. Mitte Mai wurde ich jedoch zur Beobachtung in die Klinik eingewiesen, denn der Gebärmutterhals war noch einmal kürzer geworden. Nach ein paar Tagen durfte ich allerdings schon wieder nach Hause – gerade rechtzeitig, um mit unserem Sohn seinen dritten Geburtstag zu feiern. Wir bemühten uns um wenig Trubel, doch bald darauf spürte ich ein regelmäßiges Ziehen im Bauch. Allein fuhr ich mitten in der Nacht ins Krankenhaus, um die Schmerzen abklären zulassen. Entgegen meiner Erwartung, dass ich schnell wieder zuhause sein würde, stellte man regelmäßige Wehen und einen Vorfall der Fruchtblase fest. Zur Sicherheit wurde die Lungenreifespritze gesetzt und wehenhemmende Medikamente verabreicht. Doch es half alles nichts, die Geburt unserer beiden Mädchen war nicht mehr aufzuhalten. Zehn Minuten vor der sogenannten „eiligen Sectio“ einigte ich mich mit meinem Mann auf die Namen Ellie und Lina. Während der OP ging es mir sehr schlecht. Ich hatte Herzrasen und merkte, wie Gliedmaßen und Zunge anschwollen. Anscheinend reagierte ich hochallergisch auf eines der Medikamente.
Unsere beiden Töchter kamen davon unbeeindruckt und gut auf die Welt. Sie waren gleichmäßig von der Plazenta versorgt worden, wogen beide fast 1000 Gramm und konnten schon selbständig atmen. Trotzdem lagen sie erst einmal auf der Frühgeborenen-Intensivstation. Die vier Stunden, bis ich sie zum ersten Mal sehen durfte kamen mir vor wie eine Ewigkeit. Kuscheln und känguruhen mussten auch noch zwei Tage warten. Ich hatte große Schwierigkeiten die viel zu frühe Geburt zu verarbeiten, fühlte mich um zwölf Wochen Schwangerschaft und eine natürliche Geburt betrogen, so wie ich sie bei unserem Sohn erlebt und mir schon vorgestellt hatte.
Am dritten Lebenstag der Zwillinge gab es einen schlimmen Zwischenfall: Lina hatte ein hartes, dunkelblaues Bäuchlein und ihre Werte verschlechterten sich plötzlich rapide. Man fand eine Perforation ihres Magens. Ein zweites Mal innerhalb so kurzer Zeit spürte ich den Boden unter mir wanken und fühlte mich aus der gerade erst wiedergefundenen Bahn geworfen. Wir konnten nur warten und hoffen. Unser Töchterchen sediert und intubiert zu sehen, brach uns fast das Herz. Wieder musste ich sechs Tage warten, bis sie wieder extubiert war und ich mit ihr kuscheln durfte. Ich känguruhte besonders intensiv und lange mit ihr und konnte damit sogar ihre unregelmäßige Herzfrequenz normalisieren. Zum Glück erholte sich Lina schnell und überholte mit ihrer Entwicklung ein paar Wochen später sogar ihre Schwester Ellie. Beide bekamen Muttermilch über die Ernährungssonde. Mit viel Geduld legte ich meine Kinder trotzdem auch immer wieder an, bis sie endlich so viel Kraft hatten selbst zu trinken.
Nach langen acht Wochen durften unsere beiden Mädchen endlich nach Hause. Schon im Krankenhaus hatte man mich auf den Bunten Kreis aufmerksam gemacht und ich muss sagen, der Slogan „Eine Brücke vom Krankenhaus ins Kinderzimmer“ stimmt wirklich! Für uns ebnete eine kompetente und herzliche Mitarbeiterin den Weg in den Alltag. Ich bin wahnsinnig froh, dass ich in dieser verletzlichen Phase so guten Beistand an meiner Seite wusste. Ich hatte das viel zu frühe und abrupte Ende meiner Schwangerschaft immer noch nicht verwunden. Es erleichterte mich deshalb ungemein, dass ich mich Frau J. mit meinen Gedanken, Ängsten und Zweifeln bedingungslos anvertrauen konnte.
Nach einer Woche zuhause erlebten wir erneut eine Beinahe-Katastrophe: als ich Lina wickelte, kam ihr ein wenig Nahrung hoch. Sie konnte plötzlich nicht mehr atmen, wurde ganz blau und schaute mich panisch, mit weit aufgerissenen Augen an. Zum Glück stand mein Mann neben uns, bewahrte einen kühlen Kopf und begann sie zu stimulieren, während ich den Notarzt rief. Bis dieser eintraf, hatten wir es geschafft, dass Lina wieder atmete. Trotzdem kam sie zur Abklärung in die Klinik. Ein Krampfanfall wurde zum Glück ausgeschlossen, aber sie konnte mit ihrem zeitweisen Reflux noch nicht umgehen. Ich musste sie nach jeder Nahrungsaufnahme fast eine Stunde aufrecht halten und immer darauf achten, dass sie auch ein Bäuerchen machte.
Auch zu diesem Problem konnte uns Frau J. gut beraten und hatte viele Tipps parat. Ihre Besuche gaben mir das beruhigende Gefühl, dass die Entwicklung der Kinder regelmäßig und unkompliziert zuhause kontrolliert wird. Wenn mir in unserem anstrengenden Alltag einmal die Kraft auszugehen drohte, gelang es ihr mitfühlend und freundlich, mich wieder aufzubauen.
Mittlerweile nehmen Lina und Ellie stetig zu, wachen morgens schon strahlend auf und entdecken gut gelaunt ihre Stimmen. Als stolzer großer Bruder kümmert sich Phil liebevoll um seine Schwestern. Wir sind sehr froh, endlich in einer stabilen Alltags-Normalität angekommen zu sein, in der wir die Kinder richtig genießen können.“